Team Energiewechsel: Strom ernten im Obstbau

Erntezeit bei Obstbaumeister Hubert Bernhard in Kressbronn am Bodensee. In diesem Jahr erntet der Landwirt auf einen Schlag zweifach: knackige, rotwangige Äpfel und – bereits seit Mai dieses Jahres – grünen Strom aus Photovoltaikdächern, die einen Teil seiner Obstplantagen überdecken. Agri-Photovoltaik nennt sich diese Art der Doppelnutzung. „Ich habe mir schon lange überlegt, wie wir diese knappen Flächen, die wir hier in der Region haben, besser nutzen können. Und Sonne haben wir genug“, so der Landwirt.

Bei rund 0,4 Hektar seiner Obstplantagen hat Bernhard im Frühjahr dieses Jahres die Hagelnetze gegen Solarpaneele ausgetauscht, mit einer Nennleistung von rund 230.000 kWh im Jahr. Damit produziert der Landwirt im Durchschnitt 630 kWh Strom pro Tag, je nach Sonnenscheindauer. Die spannenden Fragen im Frühjahr waren: Wie entwickeln sich die Äpfel unter dem PV-Dach? Bekommen sie genügend Licht für die Färbung? Wird die Ernte vergleichbar sein mit der von Bäumen, die durch lichtdurchlässigere Hagelnetze geschützt sind? Nach vier Monaten ist Bernhard mehr als zufrieden: „Die Äpfel haben sich super entwickelt, fast besser als unter den Hagelnetzen. Wir haben hier eine 100-prozentige Ernte eingefahren.“

Nahaufname von Obstbauer Bernhard auf Apfelplantage, die mit Solarpaneelen überdacht ist.

© Evelin Buhmann

Neben der Erzeugung von grünem Strom bringen die Solarpaneele dem Obstbau weitere Vorteile: Die Pflanzen werden vor dem besonders gefürchteten Hagel und zu viel Regen geschützt. Letzteres führte dazu, dass Bernhard in diesem Jahr rund 70 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen musste. Darüber hinaus können die Früchte besser gedeihen, weil sie nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, und der Wasserverbrauch ist deutlich reduziert. Gerade in heißen, trockenen Sommern wie diesem steigert das die Aussicht auf eine ertragreiche Ernte.

Daneben bringt die Stromproduktion landwirtschaftlichen Betrieben zusätzliche Sicherheit: „In schwierigen, ernteschwachen Jahren – und die gibt es in der Landwirtschaft durch den Klimawandel immer mehr – kann man so einen zusätzlichen Ertrag durch die Stromerzeugung einfahren“, meint Bernhard. „Das ist gerade für die nachfolgenden Generationen wichtig.“

Dezentrale Energieversorgung mit Agri-Photovoltaik möglich

Die Agri-PV-Anlage auf dem Obsthof am Bodensee ist Teil eines Modellprojektes des Landes Baden-Württemberg und wird vom Fraunhofer-Institut wissenschaftlich begleitet. Derzeit muss Bernhard grüne Energie in das Netzwerk des lokalen Energieversorgers einspeisen und kann ihn nicht selbst verwenden – quasi als Gegenleistung für die Förderung durch das Land Baden-Württemberg, das das Projekt zu 50 Prozent unterstützt. Rund 200 000 Euro hat Bernhard aus eigener Tasche für die Solaranlage aufgebracht – für ihn ganz klar eine wichtige Investition in die Zukunft, die sich nach rund 12 Jahren amortisiert haben wird. „Nach Ablauf der dreijährigen Projektlaufzeit werden wir unseren landwirtschaftlichen Betrieb autark versorgen und zusätzlichen Strom entgeltlich in die Stromversorgung einspeisen können.“ Die, da ist Bernhard überzeugt, könnte in Kressbronn perspektivisch dezentral über Solarenergie abgedeckt sein. „Wir haben hier 8000 Einwohner und ca. 600 Hektar Anbauflächen unter Hagelnetzen. Wenn man davon etwa 27 Hektar gegen Solaranlagen tauschen würden, könnten wir die Bevölkerung von Kressbronn vollkommen autark versorgen.“

Ernte auf der Apfelplantage, die mit Solarpaneelen überdacht ist.

© Evelin Buhmann

Blick auf Apfelplantage aus der Ferne, die mit Solarpaneelen überdacht ist.

© Evelin Buhmann

Auch bundesweit ist das Potenzial der Technologie groß. Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts ISE könnten mit rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen und hoch aufgeständerter Agri-PV rund 500 Terawattstunden Strom erzeugt werden – das entspricht in etwa dem heutigen Strombedarf in Deutschland.

Hubert Bernhard selbst will auf jeden Fall mit der Agri-Photovoltaik weitermachen: „Wenn’s funktioniert, und so sieht es momentan aus, dann macht das doch einfach absolut Sinn, die Fläche doppelt zu nutzen.“

Obstbauer Bernhard läuft durch Apfelplantage, die mit Solarpaneelen überdacht ist.

© Evelin Buhmann